«Cacciando la Nera Verzasca» - auf der Suche nach der «schwarzen Verzasca»

Fromage Mauerhofer steht nicht nur ein für das traditionelle Käsehandwerk, wir unterstützen zudem Züchter alter Rassen: genetisch reine Schweizer Ur-Rassen mit Horn und noch häufig mit Stier oder Bock im Stall. Wir stellen bereits heute diverse Käse mit der Milch von nur einem einzigen Stall einer alten Schweizer Milchkuh-Rasse her. Es sind dies das Mauerhofer «Rätisch Grauvieh», der «Original Simmentaler», der «Simmental Bleu» sowie der «Summaprada Braunvieh»-Käse. Mauerhofer möchte auch einen Beitrag leisten zum Erhalt der grossen Tessiner Ziegenzucht- und Ziegenkäse-Tradition.

Die stolze «Capra Nera Verzasca» ist eine der grössten, aber auch seltensten Ziegenrassen der Schweiz. Sie ist schwarz wie die Nacht und kommt nur noch im Tessin vor. Wie auch die mächtige, graue «Capra Grigia», gross und grau wie ein Esel, ursprünglich aus den Bündner-Südtälern vermischte sie sich mit den vielen lokalen Tessiner Rassen: «Capra Nostrana» nennt man die heimischen Ziegenschläge der kargen Tessiner Gebirgstäler. Die Ziegen sind in Farbe und Zeichnung, aber auch in Grösse sehr verschieden und natürlich tragen alle Hörner. Man findet die schwarzen und grauen Tessiner Milchziegen noch, dieses Tessiner Kulturgut. Und es gibt sie noch, die traditionellen Tessiner Ziegenbauern wie Paolo Rodoni in Biasca am Eingang des Blenio-Tals oder Giorgio Speziale in Bignasco im Maggiatal. Von Herbst bis Frühling stellen sie in ihren Hofkäsereien vorzüglichen «formaggio» und «formagella di capra» sowie Tessiner Ziegenfrischkäse «Büscon» oder «Ricotta di capra» her. Die steilen Hänge des Bleniotals, des Val Verzasca oder des Valle Maggia werden durch die traditionelle Wander-Weidehaltung der Ziegenherden vor der Verbuschung bewahrt.

Wir sind auf der Suche nach Tessiner Ziegenkäse aus Milch dieser alten Rassen und reisen hierzu durch den Gotthard mit erstem Halt in Biasca, rund 30 km nördlich von Bellinzona. Paolo Rodini ist ein junger Ziegen- und Kuhmilchbauer und hatte den Hof von den Eltern übernommen. Als Ziege möchte man im weitläufigen Areal von Paolo leben, mit riesigem Laufstall und grosser, offener Weide mit schattenspendenden Bäumen und Sträuchern, die von einem plätscherndem Quellbach bespielt wird, wo die 120 Ziegen den Durst mit Bergwasser löschen können. Auf dem Hof in Biasca werden wir alsbald umzingelt von wunderschönen und lächelnden Ziegen, in allen Farben und mit einer beeindruckenden Hornpracht, die an Steinwild oder gar Antilopen erinnert. Für die mitgereisten Enkelkinder ein beglückendes Erlebnis, es wimmelt von äusserst zutraulichen, jungen Gitzis. Paolo verkauft seine ganze Produktion von Ziegenhart- und -Frischkäse direkt an Private. Tessiner Ziegenkäse ist gefragt. Das Pandemiejahr führte zu einer grossen Nachfrage nach regionalen Produkten durch die Touristen aus der Deutschschweiz. Ziegenzucht und Käseproduktion lohnen sich im Tessin wieder.

Nachdem wir uns bei Paolo mit Käse eingedeckt haben, geht die Fahrt runter nach Bellinzona, über die Magadino- Ebene nach Locarno, und von da ins tiefe, wilde Maggiatal. Nachdem wir die Nacht unweit des Hauptortes Maggia verbracht hatten, treffen wir am nächsten Morgen talaufwärts im historischen Bignasco, Giorgio Speziale. Ein einheimischer Bio-Ziegenbauer und im Winter Skilehrer in St. Moritz. Seine Käse sind auch im mondänen Ascona gefragt. Der «ricotta di capra» (Ziegen-Ziger) wird Giorgio aus den Händen gerissen. Für Mauerhofer beziehen wir eine Auswahl seiner halbharten, für rund 6 Monate im feuchten Keller gereiften Grauschimmel-Ziegenkäse.

Die Geissen der Tessiner Ziegenbauern ziehen wie seit jeher mit dem Hirten und den Kuhherden der Tessiner Milchbauern im Sommer auf die Alpen hoch über dem Lago Maggiore und der Leventina. Wie auch die Kühe unseres GRAN TICINO-Käsermeisters Giorgio Dazio. Als letztes Reiseziel wollen wir der Familie Dazio in Fusio einen Hofbesuch abstatten. Fusio, das pittoreske Postauto-Dorf auf 1'300 Meter über der Maggia-Schlucht thronend, ist nur in in langer, steiler Kurvenfahrt, vorbei an der berühmten Botta-Kirche von Mogno, zu erreichen. Im Sommer verkäst Papa Giorgio Dazio in der modernen Alpkäserei seit 40 Jahren die Milch auf offenem Feuer während hundert Alpsommertagen. Tessiner Alpkäse sind aus 70% Kuhmilch und 30% Ziegenmilch, das ist das Typische des «Formaggio Alpe Ticinese AOP»: LA TORBA, CRISTALLINA, LA PIORA heissen die berühmtesten Tessiner Alpkäse. Unser Mauerhofer GRAN TICINO ist kein Alpkäse, sondern wird als reiner Kuhmilch-Käse nur im Dorf hergestellt, also nur von Herbst bis Frühling produziert, wenn die Kühe von Michele Dazio wieder im Stall der Familie in Fusio sind.

Auch die Ziegen von Giorgio und Paolo kehren im Herbst wieder in den Stall zurück. Dann sind auch die Sommerferien von Giorgio und Paolo vorbei. Die Muttertiere kommen jedes Jahr trächtig von den Alpweiden nach Hause und gebären im Winter ihren Nachwuchs. Damit wir im Frühling wieder ihre Milch zu feinstem Mauerhofer Tessiner-Ziegenkäse verarbeiten lassen dürfen.

 

Pro Spezie Rara, Auszug von prospezierara.ch:

Capra Nera Verzasca

Die Ziegenhaltung hat in den kargen Tessiner Bergtälern seit jeher eine grosse Bedeutung und brachte durch strenge Selektion robuste und widerstandsfähige Ziegen hervor. Der Ursprung der Nera Verzasca liegt im Verzascatal und seinen Einzugsgebieten. Heute findet man die meisten der schwarzen Herden nahe Biasca und in der unteren Leventina, aber auch im Malcantone und im Maggiatal. Nördlich der Alpen haben sich erst wenige Betriebe dieser schönen aber gefährdeten Ziegen angenommen. Die Nera Verzasca ist kräftig behornt und trägt ein kurzes schwarzes Fell. Die typische Gebirgsziege gehört zu den grössten und kräftigsten Ziegen der Schweiz und ist für ihre Widerstandsfähigkeit bekannt. So erträgt sie Temperaturen in beiden Extremen und liebt die Sommerzeit, weil sie dann (auf den Alpen) ein fast wildes Ziegenleben führen und ihrem Freiheitsdrang im Gebirge nachgehen kann. In der Sprungzeit laufen oft mehrere Böcke mit den Ziegen mit, was eine Herausforderung für die Herdebuchzucht darstellt. Denn so lassen sich die Vaterschaften nur per DNS-Analyse feststellen. Das ist aufwändig, ermöglicht aber eine moderne Zucht und traditionelle Haltungsformen zu vereinen. Die Ziegenherden bleiben nicht selten bis zum letzten Moment in grosser Höhe, von wo sie erst nach den ersten Schneefällen in tiefere Regionen absteigen. Die extensive Haltung fördert die Robustheit der Rasse. Wenn möglich sollte man den Tieren auch im Winterquartier Zugang zum Freiland bieten, da den stolzen Tieren eine enge Stallhaltung nicht zusagt. Bedenkt man die extensive Lebensweise der Nera Verzasca in den Alpen, so ist ihre Milchleistung mit durchschnittlich um 480 kg pro Laktation sehr beachtlich. Auch ihr Fleisch ist von hoher Qualität. Im Tessin wird traditionell vor allem das Ostergitzi weitherum als Delikatesse mit guten Preisen gehandelt. Die Rasse kann wirtschaftlich durchaus als rentabel bezeichnet werden.

Capra Grigia

1997 startete «Pro Spezie Rara» mit den letzten grauen Ziegen aus dem Tessin und den Bündner Südtälern das Projekt «Capra Grigia», das die Rettung der grauen Bergziege zum Ziel hat. So wichtig waren die grauen Ziegen im Leben der einstigen Bevölkerung in den Bündner und Tessiner Alpentälern, dass in den lokalen Dialekten Begriffe entstanden, die nur in Zusammenhang mit den verschiedenen Grautönen der Ziegen verwendet wurden. «Un bòsc müsc» (ein grauer Ziegenbock) oder «la càura bròsgia» (die hellgraue Ziege) erzählen aus einer Zeit, in der graue Ziegen wirklich wertvoll waren. Die graue Farbe war auf den felsigen Alpen ein Vorteil, da sie Jungtiere vor Raubtieren schützte. Für die Sennen war die gute Tarnung zuweil aber auch eine Herausforderung und nicht selten liefen andersfarbige Tiere in den Herden mit, damit man sie von Weitem besser ausmachen konnte.Auch diese Rasse verschwand nach der Rassebereinigung von 1938, aber auch infolge der CAE-Viruskrankheit, aufgrund derer generell viel Ziegen über alle Rassen hinweg ausgemerzt werden mussten. Als ProSpecieRara das Projekt startete, fanden sich nur noch vereinzelte Vertreter der einst verbreiteten Calanca-, Leventina-, Valmaggia- und Riviera-Schläge. Jeden einzelnen zu retten war aufgrund der wenigen übriggebliebenen Tiere aussichtslos und so fasste man alle noch lebenden grauen Ziegen zur «Capra Grigia» zusammen. Die verschiedenen Grautöne von Silbergrau (Leventina-) über Mittelgrau (Calanca-) zu Dunkelgrau (Valmaggia-Schlag) widerspiegeln die unterschiedlichen Wurzeln der Capra Grigia. Das Fell ist kurz und die Böcke und viele Geissen haben Ziegenbärte. Beide Geschlechter tragen kräftige Hörner. Die Capra Grigia ist interessant für alle, die eine ausgewogene und unanfällige Ziege wünschen.